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grow! Magazin

Die Gefahren des Cannabiskonsums im Vergleich zu Tabak und Alkohol - Teil II

Authors
Franjo Grotenhermen

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Der Konsum von Alkohol, Tabak und Cannabis kann negative Auswirkungen auf den Verlauf der Schwangerschaft und die Entwicklung von Embryo und Fötus mit langzeitigen Auswirkungen auf die Gesundheit der Kinder haben, darunter ein reduziertes Wachstum des Fetus, Missbildungen und negative Auswirkungen auf die geistige Entwicklung.

Am bekanntesten und schwerwiegendsten ist das fetale Alkoholsyndrom, das durch den Alkoholkonsum der Schwangeren verursacht wird und mit Missbildungen und gravierenden Auswirkungen auf die kognitive Leistungsfähigkeit der Kinder verbunden ist. Es wurde erstmals 1973 in der Fachzeitschrift Lancet beschrieben (Jones et al. 1973). Negative Auswirkungen des Tabakkonsums wurden bereits in den sechziger Jahren identifiziert, Auswirkungen von Cannabis seit den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts. Eine umfassende Übersicht zum Thema hat eine Arbeitsgruppe der amerikanischen Gesellschaft der Kinderärzte erarbeitet (Behnke et al. 2013).

Zu den Auswirkungen des Cannabiskonsums gibt es  zwei Langzeitstudien, in denen Kinder, die im Mutterleib THC ausgesetzt waren, über viele Jahre begleitet wurden, mit einer Vielzahl von Veröffentlichungen über einen Zeitraum von 20 bzw. 30 Jahren, eine Studie an der Universität von Ottawa (Kanada) (Fried et al. 2003) und eine weitere an der Universität von Pittsburgh (USA) (Goldschmidt et al. 2012). Die "Kinder" in der kanadischen Studie sind mittlerweile älter als dreißig Jahre, die in der amerikanischen Studie älter als zwanzig Jahre.

Die Häufigkeit von Drogenkonsum während der Schwangerschaft

im Jahr 2014 litten etwa 4,9 % (240 Millionen Menschen) der erwachsenen Weltbevölkerung an einer Alkoholkonsumsstörung (Abhängigkeit, Missbrauch), etwa 22,5 % (1 Milliarde Menschen) aller Erwachsenen rauchten Tabakprodukte und 3,5 % (170 Millionen Menschen) konsumierten Cannabis (Gowing et al. 2015). In den USA wird jährlich eine Umfrage unter 67.000 Personen, die älter als 12 Jahre alt sind durchgeführt. Diese Daten werden dann für jeweils zwei Jahre zusammengefasst. Die Tabelle 1 fasst die Ergebnisse für den Konsum von Tabak, Alkohol und Cannabis durch Frauen im Alter zwischen 15 und 44 Jahren in Abhängigkeit vom Vorliegen einer Schwangerschaft in den Jahren 2009-2010 zusammen.

Tabelle 1: Vergleich des Drogenkonsums im Monat vor der Befragung durch Frauen im Alter von 15-44 Jahren in den USA in den Jahren 2009-2010 (National Survey on Drug Use and Health).

Schwangere Frauen: %

Nicht schwangere Frauen: %

Cannabiskonsum 3,7 8,2
Alkoholkonsum 10,8 54,7
Alkoholkonsum bis zur Trunkenheit 3,7 24,6
Zigarettenkonsum 18,3 26,7

Wirkungsmechanismen von Drogen auf den Fetus

Drogen können den Fetus auf vielfältige Art und Weise schädigen. Früh in der Schwangerschaft, während der Embryonalzeit, also in den ersten Wochen, können Drogen Missbildungen verursachen. Nachdem dann die wesentlichen strukturellen Entwicklungen abgeschlossen sind, können Drogen noch geringere Wirkungen ausüben, wie beispielsweise reduziertes Wachstum oder geringere Reife, Veränderungen der Neurotransmitter, also Signalstoffen im Zentralnervensystem, ihren Rezeptoren sowie der Organisation des Gehirns. Drogen können zudem pharmakologische Wirkungen auf die Mutter ausüben, was indirekte Wirkungen auf den Fetus haben kann.

Tabak

Seit 50 Jahren ist bekannt, dass Cannabiskonsum das Geburtsgewicht der Neugeborenen reduziert. In Analogie zum fetalen Alkoholsyndrom wurde 1985 in der Fachzeitschrift der Amerikanischen Medizinischen Gesellschaft der Begriff des „fetalen Tabaksyndroms“ vorgeschlagen (Nieburg et al. 1985). Je mehr Zigaretten geraucht werden, umso geringer ist das durchschnittliche Gewicht der Neugeborenen. Allerdings holen die Kinder diesen Rückstand offenbar in den ersten zwei Lebensjahren auf. Es gibt einige Hinweise darauf, dass Tabakkonsum zu Missbildungen führen kann, allerdings sind diese Hinweise relativ schwach, so dass dies als nicht gesichert gilt. Allerdings gibt es deutliche Hinweise auf Störungen des Muskeltonus, des Verhaltens, wie beispielsweise eine gestörte Orientierungsfähigkeit, sowie Störungen im Bereich des autonomen Nervensystems.

Hinsichtlich der langzeitigen Wirkungen des Tabakkonsums auf die betroffenen Kinder gibt es keine eindeutigen Hinweise auf Beeinträchtigungen von Größe und Gewicht. Allerdings wurde in einigen jüngeren Studien bei diesen Kindern vermehrt Übergewicht nachgewiesen. In einer Vielzahl von Studien wurden zudem Auswirkungen auf das Verhalten festgestellt, darunter verstärkte Impulsivität, Hyperaktivität und Störungen der Aufmerksamkeit, die in der frühen Kindheit beobachtet werden können und in der Jugendzeit und im Erwachsenenalter fortbestehen. Diese machen sich auch als kriminelles Verhalten und vermehrten Drogenkonsum bemerkbar.

Studien mit jüngeren und älteren Kindern, die während der Schwangerschaft Tabakkonsum ausgesetzt waren, haben gezeigt, dass diese im Durchschnitt einen etwas niedrigeren Intelligenzquotienten sowie Beeinträchtigungen bei der Lernfähigkeit und dem Gedächtnis aufweisen. Die Sprachentwicklung war ebenfalls beeinträchtigt, mit im Durchschnitt schlechterer Leseleistung im Alter von 9-12 Jahren.

Definition des fetalen Tabaksyndroms

Wird ein Embryo (bis zur neunten Schwangerschaftswoche) oder Fetus (ab der neunten Schwangerschaftswoche) während seiner Entwicklung Nikotin und anderen im Tabakrauch enthaltenen Giften ausgesetzt, so wird er in seiner Entwicklung beeinträchtigt und erfährt weitere Entwicklungsschädigungen, die sich im gesamten späteren Leben negativ bemerkbar machen können. In Extremfällen können diese Schädigungen sogar zur Früh- oder Fehlgeburt führen. Diese nachgeburtlich diagnostizierbaren Schäden fasst man unter dem Begriff Fetales Tabaksyndrom zusammen.

Alkohol

Die Reduzierung des Wachstums im Mutterleib ist eines der wichtigen Zeichen von Alkohol-Exposition des Fetus, ein Symptom des fetalen Alkoholsyndroms. Bereits mäßige Mengen an Alkoholkonsum während der Schwangerschaft sind mit einer geringeren durchschnittlichen Größe des Neugeborenen verbunden. Seit der erstmaligen Beschreibung des fetalen Alkoholsyndroms im Jahr 1973 sind viele Studien erschienen, die Missbildungen durch Alkohol in der Schwangerschaft nachweisen. Es gibt einige deutliche Auffälligkeiten beim Verhalten des Neugeborenen, wie zum Beispiel auf den Grad der Wachheit sowie Veränderungen der Motorik.

Hinsichtlich der Langzeitwirkungen bleibt ein negativer Effekt auf das Wachstum bestehen. Das gleiche gilt für Einflüsse auf das Verhalten von der Kindheit bis in das Erwachsenenalter. Dazu zählen Störungen der Aufmerksamkeit, schulische Probleme, Sozialverhalten, kriminelles Verhalten und Drogenkonsum. Vorgeburtlicher Alkoholkonsum gilt als einer der häufigsten vermeidbaren Ursachen für intellektuelle Beeinträchtigungen. Die Auswirkungen auf den Intelligenzquotienten können sehr variabel sein. Die betroffenen Kinder weisen im Durchschnitt ein schlechteres Gedächtnis und geringere Fähigkeiten zur Durchführung komplexer Aufgaben auf. Die so genannte exekutive Funktion wird beeinträchtigt. Es wurde während der gesamten Schulzeit eine geringere Leistungsfähigkeit bei mathematischen Aufgaben sowie beim Lesen festgestellt. Alkoholkonsum ist mit einer Beeinträchtigung der Entwicklung und Verwendung der Sprache verbunden, was ein möglicher Grund für langzeitige Probleme bei sozialen Interaktionen ist.

Definition des fetalen Alkoholsyndroms

Wird ein Embryo (bis zur 9. Schwangerschaftswoche) oder Fetus (ab der 9. Schwangerschaftswoche) während seiner Entwicklung Alkohol und Alkoholabbauprodukten ausgesetzt, so wird er nicht nur in seiner Entwicklung gehemmt, sondern erfährt in Abhängigkeit von Reifestadium, Alkoholmenge und individueller Disposition weitere körperliche und kognitive Entwicklungsschädigungen. Diese nachgeburtlich diagnostizierbaren Schäden fasst man unter den Begriffen fetales Alkoholsyndrom (beim Vollbild) oder unter fetale Alkoholeffekte (bei symptomatisch minderschwerer Ausprägung) zusammen. Als Oberbegriff wird Fetal Alcohol Spectrum Disorder genutzt.

Cannabis

Cannabiskonsum hatte in einer Anzahl von Studien im Allgemeinen keinen Einfluss auf das Wachstum des Feten. THC in der Schwangerschaft verursacht zudem keine Missbildungen. Jedoch in einigen Untersuchungen dezente Einflüsse auf das Verhalten sowie vermehrtes Zittern. Da dies jedoch nicht bei allen Studien beobachtet wurde, ist ein solcher Einfluss unklar.

Hinsichtlich langzeitiger Wirkungen hat eine THC-Exposition während der Schwangerschaft keinen Einfluss auf das Wachstum der Kinder. Cannabiskonsum hat zudem keinen Einfluss auf den Intelligenzquotienten. Es gibt jedoch Hinweise, dass es im Durchschnitt leichte Defizite bei der Problemlösung von Aufgaben gibt, die eine anhaltende Aufmerksamkeit, ein gutes visuelles Gedächtnis, analytisches Verständnis und die Integration geistiger Fähigkeiten erfordern. Zudem soll THC geringe Effekte auf das Lernen und das Gedächtnis haben. Es gibt keine Hinweise auf negative Auswirkungen auf die Sprachentwicklung, jedoch solche auf eine mögliche geringere Lesefähigkeit.

Schlussfolgerung

Die wichtigsten Ergebnisse dieser Übersicht sind in Tabelle 2, die der oben erwähnten Übersicht der amerikanischen Gesellschaft der Kinderärzte entnommen wurde, dargestellt. Danach gibt es aufgrund der möglichen Entwicklung eines fetalen Alkoholsyndroms die mit Abstand stärksten Drogenwirkungen auf Embryo und Fetus durch Alkohol. Die Wirkungen durch das Rauchen von Tabak bzw. Tabakzigaretten fallen deutlich geringer aus. Am geringsten sind die Wirkungen durch Cannabiskonsum einzuschätzen. Bei Kindern von Frauen, die während der Schwangerschaft Cannabis konsumiert haben, sind in den ersten Lebensjahren oft keine relevanten Wirkungen messbar, weil diese zu gering sind. Erst im Laufe der Schulzeit lassen sich solche geringen Auswirkungen auf das Verhalten und die geistige Leistungsfähigkeit messen. Daher muss wie bei anderen Medikamenten auch eine medizinische Verwendung von Cannabisprodukten während der Schwangerschaft sorgfältig abgewogen werden. Bei schweren Erkrankungen stellt Cannabis vermutlich eine vergleichsweise wenig schädliche Substanz dar. Ein Freizeitkonsum von Cannabis während der Schwangerschaft sollte wie die Verwendung anderer Substanzen (legale und illegale Drogen, Medikamente) vermieden werden.

Tabelle 2: Zusammenfassung von Wirkungen einer Drogenexposition während der Schwangerschaft (nach Behnke et al. 2013).

Nikotin

Alkohol

Cannabis

Kurzzeitige Wirkungen

Fetales Wachstum

Wirkung

Starke Wirkung

Keine Wirkung

Missbildungen

Kein Konsens über Wirkungen

Starke Wirkung

Keine Wirkung

Verhalten

Wirkung

Wirkung

Wirkung

Langzeitige Wirkungen

Wachstum

Kein Konsens über Wirkung

Starke Wirkung

Keine Wirkung

Verhalten

Wirkung

Starke Wirkung

Wirkung

Geistige Leistungsfähigkeit

Wirkung

Starke Wirkung

Wirkung

Sprachliche Entwicklung

Wirkung

Wirkung

Keine Wirkung

Schulleistung

Wirkung

Starke Wirkung

Wirkung

Literatur:

  • Behnke M, Smith VC; Committee on Substance Abuse; Committee on Fetus and Newborn. Prenatal substance abuse: short- and long-term effects on the exposed fetus. Pediatrics 2013;131(3):e1009-

  • 24. Fried PA, Watkinson B, Gray R. Differential effects on cognitive functioning in 13- to 16-year-olds prenatally exposed to cigarettes and marihuana. Neurotoxicol Teratol 2003;25(4):427-36. 

  • Goldschmidt L, Richardson GA, Willford JA, Severtson SG, Day NL. School achievement in 14-year-old youths prenatally exposed to marijuana. Neurotoxicol Teratol 2012;34(1):161-7. 

  • Gowing LR, Ali RL, Allsop S, Marsden J, Turf EE, West R, Witton J. Global statistics on addictive behaviours: 2014 status report. Addiction 2015;110(6):904-19. 

  • Jones KL, Smith DW, Ulleland CN, Streissguth P. Pattern of malformation in offspring of chronic alcoholic mothers. Lancet 1973;1(7815):1267-71.

  • National Survey on Drug Use and Health, 2010. Verfügbar unter: http://www.samhsa.gov/data/sites/default/files/NSDUHNationalFindingsResults2010-web/2k10ResultsTables/NSDUHTables2010R/PDF/Sect6peTabs71to78.pdf

  • Nieburg P, Marks JS, McLaren NM, Remington PL. The fetal tobacco syndrome. JAMA 1985;253(20):2998-9.