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Wenn die Therapie der ADHS mit Cannabis bei Ärzten eine Impulskontrollstörung verursacht
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Typische Symptome einer ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung) sind Konzentrationsstörungen, innere und äußere Unruhe („Zappelphilipp“), Schlafstörungen und Störungen der Impulskontrolle mit Wutausbrüchen. Die am häufigsten eingesetzten Medikamente, wie Ritalin und Medikinet, enthalten Methylphenidat, eine amphetaminähnliche Substanz. Methylphenidat hilft vielen Patienten, kann jedoch bei anderen Betroffenen bestimmte Symptome, wie Schlafstörungen, Aggressionen und Appetitlosigkeit verstärken.
Viele Menschen mit ADHS haben meistens zufällig beim Gelegenheitskonsum in der Jugend oder im jungen Erwachsenenalter festgestellt, dass Cannabis ihre Konzentrationsfähigkeit verbessert, die emotionale Situation stabilisiert und sich in jeder Hinsicht positiv auf das schulische bzw. berufliche und soziale Leben auswirkt. Viele Psychiater und Neurologen lehnen jedoch eine Therapie der ADHS mit Cannabisprodukten bzw. cannabisbasierten Medikamenten grundsätzlich ab.
Das hat vor allem zwei Gründe. Erstens haben Mitglieder dieser Berufsgruppe nicht selten ein gefestigtes, negativ geprägtes Bild von Cannabis, oft an der Grenze zur Borniertheit. Dass Cannabis auch bei psychiatrischen Erkrankungen hilfreich sein könnte, passt nicht zu diesem Bild. ADHS-Patienten haben mir wiederholt berichtet, dass Psychiater und Neurologen ihnen überhaupt nicht zu hören, wenn sie diesen von ihren positiven Erfahrungen berichten möchten. Zweitens gab es bis 2017 keine einzige kontrollierte klinische mit Cannabis oder THC bei Patienten, die an einer ADHS leiden.
Welche Emotionen das Thema bei Neurologen verursachen kann, zeigt das Beispiel einer ärztlichen Bescheinigung, die einem meiner Patienten kürzlich von seinem Neurologen ausgestellt wurde. Darin heißt es „als Delegierter des BVDN habe ich an der Konsensuskonferenz zur S3-Leitlinie „ADHS bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen“ zuletzt am 8.5.17, teilgenommen. Bezüglich der Verordnung von Cannabis, gab es (einstimmig) den höchsten Empfehlungsgrad ‚Cannabis soll bei ADHS nicht eingesetzt werden‘. Die Veröffentlichung der Leitlinie erfolgt voraussichtlich im Herbst 2017. Damit erübrigt sich wohl die geplante Bescheinigung. Das Geld können Sie sich sparen. Eine Vo. von Cannabis in ihrem Fall zulasten der Krankenkassen ist damit definitiv ausgeschlossen.“
Der BVDN ist der Berufsverband Deutscher Neurologen. Leitlinien von Fachgesellschaften zu verschiedenen Erkrankungen helfen Ärzten eine rationale und wissenschaftlich fundierte Diagnostik und Therapie durchzuführen. Zur Erstellung so genannter S3-Leitlinien gibt es allgemein gültige Vorgaben. Handelt es sich um eine S3-Leitlinie, so ist unter anderem „eine systematische Recherche, Auswahl und Bewertung wissenschaftlicher Belege ('Evidenz') zu den relevanten klinischen Fragestellungen erforderlich“ und es wird „jede Empfehlung im Rahmen einer strukturierten Konsensfindung unter neutraler Moderation diskutiert und abgestimmt, deren Ziele die Lösung noch offener Entscheidungsprobleme, eine abschließende Bewertung der Empfehlungen und die Messung der Konsensstärke sind“.
Ich habe bei dem oben zitierten Teilnehmer an der Entwicklung der S3-Leitlinie zur ADHS den Eindruck gewonnen, dass hier keine neutrale Haltung zu diesem Sachthema vorhanden ist, sondern eine stark emotionalisierte.
Die S3-Leitlinie zur ADHS ist allerdings möglicherweise bereits vor ihrem Erscheinen reif für die Papiertonne oder zumindest hinsichtlich Cannabis modifizierungsbedürftig. Am 30. Mai wurde die erste klinische Studie zu Cannabis bei ADHS im Erwachsenenalter publiziert. Die Teilnehmer erhielten zufällig verteilt entweder Cannabis oder ein Placebo. Die Ergebnisse wurden von Forschern am Kings-College London und anderen wissenschaftlichen Institutionen Großbritanniens durchgeführt.
Cannabis war mit einer signifikanten Verbesserung der Hyperaktivität/Impulsivität verbunden, sowie mit einem Trend zu einer Verbesserung der mangelnden Aufmerksamkeit und emotionalen Labilität. Die Forscher schrieben, dass „Erwachsene mit ADHS eine Untergruppe von Personen darstellen könnte, die nach Cannabiskonsum eine Reduzierung der Symptome und keine kognitiven Beeinträchtigungen erlebt“.
Aufgrund der geringen Teilnehmerzahl sind die Ergebnisse vorläufiger Natur. Da sie aber mit Erfahrungsberichten vieler Patienten und auch mit Ergebnissen aus einem Experiment mit einem Tiermodell der ADHS übereinstimmen, sollten sie ernst genommen werden. Für eine Leitlinie würde das bedeuten, dass man mit Empfehlungen zum Thema Cannabis und ADHS vorsichtig ist. Abschließende Empfehlungen in die eine oder andere Richtung sind bisher nicht möglich.