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Herausgeber
grow! Magazin

Positive gesellschaftliche Effekte der Legalisierung von Cannabis für medizinische Zwecke

Authors
Franjo Grotenhermen

Es gibt seit wenigen Jahren einige Forschungsergebnisse aus den USA und anderen Ländern über eine Anzahl positiver gesellschaftlicher Auswirkungen von Gesetzen zur Legalisierung von Cannabis für medizinische Zwecke.

Dies betrifft zum einen pekuniäre Aspekte wie vermehrte Steuereinnahmen und die Schaffung von Arbeitsplätzen, auf die hier nicht näher eingegangen werden soll.

Zum anderen gibt es Untersuchungen zu Auswirkungen auf die allgemeine Gesundheit, die Verwendung von anderen Drogen und Medikamenten, die Todesfälle durch Opiate, den Cannabiskonsum von Jugendlichen, die Zahl der Verkehrstoten sowie die Krankschreibungen bei Personen im Arbeitsleben.

Interessanterweise zieht es zudem vermehrt Rentner in Staaten der USA, die die medizinische Verwendung von Cannabis legalisiert haben.

Cannabiskonsum ist bei Erwachsenen nicht mit relevanten gesundheitlichen Problemen verbunden

Mit Ausnahme eines erhöhten Risikos für Parodontitis waren Menschen, die mehr als 20 Jahre lang im Erwachsenenalter Cannabis konsumierten, nach einer 2016 veröffentlichten Studie im Allgemeinen so gesund wie Menschen, die es nicht taten. „Die einzige Messgröße, die ein ernsthaftes gesundheitliches Problem zeigte, war eine periodontale Erkrankung“, erklärte der Hauptautor Terrie Moffitt von der Duke-Universität in Durham, USA. Die Forscher hatten 1037 Menschen, die zwischen 1972 und 1973 in Neuseeland geboren waren, in die Studie aufgenommen. Die Teilnehmer wurden vom 3. Lebensjahr bis zum 38. Lebensjahr begleitet. Die Forscher fanden keinen Zusammenhang zwischen Cannabiskonsum im Erwachsenenalter und schlechter körperlicher Gesundheit für eine Anzahl von Erkrankungen, darunter Lungenfunktion, chronische Entzündungen, Erkrankungen des Stoffwechsels, Blutdruck und Body Mass Index (BMI), eine Maßzahl des Gewichts in Beziehung zur Körpergröße.

 

Cannabisrauchen verursacht vermutlich keinen Krebs

Verschiedene Untersuchungen zeigen, dass 20-30 % aller Krebserkrankungen auf das Rauchen von Tabak zurückzuführen sind. So ist nicht nur das Risiko für Lungenkrebs und andere Krebsarten der Atemwege erhöht, sondern beispielsweise auch für Bauchspeicheldrüsenkrebs und Blasenkrebs. Allein für Deutschland gehen jedes Jahr mehr als 100.000 Krebserkrankungen auf das Konto von Tabak.

Beim Cannabisrauchen sieht die Sache jedoch anders aus. Es gibt bisher keine überzeugenden Hinweise, nach denen das Rauchen von Cannabis krebserzeugend sein könnte. Nach der bisher größten epidemiologischen Studie von Professor Donald Tashkin und seinen Kollegen von der Universität von Kalifornien in Los Angeles aus dem Jahr 2006 ist selbst starkes langzeitiges Cannabisrauchen nicht mit Lungenkrebs und anderen Krebsarten des oberen Verdauungs- und Atemtraktes assoziiert. Die Studie schloss 1209 Einwohner von Los Angeles im Alter zwischen 18 und 59 Jahren, die an Krebs (611 Lunge, 403 Mund/Rachen, 90 Kehlkopf und 108 Speiseröhre) litten, ein. Die Krebskranken wurden mit 1040 krebsfreien Kontrollpersonen verglichen. Cannabiskonsum war mit einem statistisch nicht signifikanten leicht erniedrigten Risiko für Lungenkrebs verbunden. Ähnliche Ergebnisse wurden für die anderen Krebsarten gefunden. Es gab keine Dosis-Wirkungsbeziehung, was bedeutet, dass es kein erhöhtes Risiko für stärkere Konsumenten gab. Die Autoren vermuteten, dass die krebshemmenden Eigenschaften von Cannabinoiden den krebsfördernden Eigenschaften der Verbrennungsprodukte im Cannabisrauch (Nitrosamine, Benzpyrene, etc.) entgegenwirken.

 

Cannabiskonsum reduziert das Risiko für Diabetes

Wenn vom medizinischen Nutzen von Cannabis die Rede ist, dann im Allgemeinen zur symptomatischen Therapie von bereits bestehenden Erkrankungen. Cannabiskonsum könnte jedoch auch einige prophylaktische Wirkungen entfalten, so etwa eine schützende Wirkung gegen die Entwicklung eines Diabetes. Dies ist die Schlussfolgerung von Forschern des Instituts für Epidemiologie und Biostatistik der Staatlichen Universität von Michigan in East Lansing (USA) aus einer Metaanalyse von acht großen unabhängigen Studien aus dem Jahr 2015. Cannabiskonsum war danach mit einem um 30% reduzierten Diabetesrisiko verbunden. 

 

Die Legalisierung von Cannabis für medizinische Zwecke führt nicht zu einer Zunahme des Cannabiskonsums durch Jugendliche

Viele Staaten der USA haben Gesetze zur Entkriminalisierung verabschiedet, und mehr als 20 Staaten haben die Verwendung von Cannabis für medizinische Zwecke legalisiert. Aber nach zwei Studien aus dem Jahr 2015 ging der Cannabiskonsum durch Heranwachsende im gleichen Zeitraum zurück. "Trotz erheblicher Veränderungen der staatlichen Marihuana-Gesetze innerhalb der vergangenen 15 Jahre, hat der Cannabiskonsum unter Highschool-Studenten deutlich abgenommen", folgerte eine der Publikationen, die in der Zeitschrift Drug and Alcohol Dependence veröffentlicht wurde. Die Studie schaute sich den Cannabiskonsum unter allen Highschool-Studenten in den Vereinigten Staaten, der alle zwei Jahre mit dem National Youth Risk Behavior Survey erhoben wurde, an. Im Jahr 1999 hatten 47,2 % aller Highschool-Schüler angegeben, in ihrem Leben jemals Cannabis konsumiert zu haben. Diese Zahl sank auf 36,8 % im Jahr 2009 und stieg erneut auf 40,7 % im Jahr 2013. Die Autoren der Studie fanden aber, dass dieser erneute Anstieg bisher nicht signifikant ist.

Die andere Studie, die in der Amerikanischen Zeitschrift für Drogen- und Alkoholmissbrauch publiziert wurde, legt einen Grund für den Abwärtstrend beim Konsum nahe: eine starke Ablehnung des Cannabiskonsums unter jüngeren Heranwachsenden hat in den vergangenen zehn Jahren erheblich zugenommen. Diese Zahlen zeigen auch eine Abnahme der Cannabiskonsumraten für Jugendliche im Alter zwischen 13 und 14 Jahren vom Jahr 2002 bis zum Jahr 2013.

 

Die Legalisierung von Cannabis für medizinische Zwecke ist mit einer Reduzierung der Todesfälle im Straßenverkehr verbunden sowie ohne Einfluss auf die Zahl der Verkehrsunfälle

Die Umsetzung von Gesetzen für medizinisches Cannabis in vielen Staaten der USA hat zu einer sofortigen Reduzierung von Todesfällen im Straßenverkehr bei jungen Fahrern und solchen im mittleren Lebensalter geführt. Dies ist das Ergebnis einer Analyse, die Daten von 1985-2014 des Fatality Analysis Reporting Systems der USA verwendete, durch Forscher der Universität von Columbia in New York, der Universität von Kalifornien in Davis und der Universität von Boston (USA). Die Untersuchung wurde im Jahr 2016 veröffentlicht. Durchschnittlich gab es in Staaten mit medizinischen Cannabisgesetzen im Vergleich zu Staaten ohne solche Gesetze eine um 26 % niedrigere Rate an Todesfällen im Verkehr.

Nach einer Studie der US-amerikanischen Behörde für Verkehrssicherheit (National Highway Traffic Safety Administration) aus dem Jahr 2015 erhöht Cannabiskonsum nicht signifikant die Zahl der Verkehrsunfälle. Die Studie schaute sich über einen Zeitraum von 20 Monaten 9000 Autofahrer an. Sie fand heraus, dass Fahrer, die regelmäßig Cannabis konsumierten, eine um 25 % höhere Wahrscheinlichkeit für die Beteiligung an einem Verkehrsunfall aufwiesen. Wenn die Forscher allerdings Faktoren wie Alter, Geschlecht und Umfang des Alkoholkonsums berücksichtigten, fanden sie heraus, dass diese für das erhöhte Risiko durch Cannabiskonsum verantwortlich waren. Cannabiskonsum selbst hatte keinen messbaren Einfluss auf das Unfallrisiko.

 

Die Möglichkeit der medizinischen Verwendung von Cannabis verbessert die allgemeine Gesundheit von älteren Menschen

Staaten der USA, die medizinische Cannabisgesetze verabschiedet haben, wiesen eine signifikante Zunahme von älteren US-Amerikanern am Arbeitsleben auf. Dies ist das Ergebnis eines Arbeitspapiers von Forschern an der Johns Hopkins und der Tempel-Universität aus dem Jahr 2016. Staaten mit medizinischen Cannabisgesetzen weisen auch eine Verbesserung der allgemeinen Gesundheit von älteren Männern auf, während die gesundheitlichen Wirkungen bei älteren Frauen gemischt waren. Die Studie verglich, was in den medizinischen Cannabis-Staaten vor und nach der Verabschiedung im Vergleich zu Veränderungen in ähnlichen Staaten ohne Implementierung von medizinischem Cannabis geschah. Die Daten stammen aus der Gesundheits- und Berentungsstudie, einer langzeitigen Untersuchung des gesundheitlichen und wirtschaftlichen Wohlbefindens von älteren amerikanischen Erwachsenen. Die Studie fand heraus, dass bei Personen im Alter von 50 Jahren oder darüber „die Verabschiedung [eines medizinischen Marihuanagesetzes] zu einer 9,4-prozentigen Zunahme der Wahrscheinlichkeit einer beruflichen Beschäftigung und einer 4,6 bis 4,9-prozentigen Zunahme der wöchentlichen Arbeitszeit führte“. Der Grund bestand darin, dass die allgemeine Gesundheit in Staaten mit medizinischen Cannabisgesetzen besser war.

Medizinische Cannabisgesetze in den USA sind mit einer Reduzierung von Krankschreibungen verbunden

Unter Verwendung des Current Population Survey fand eine Studie aus dem Jahr 2016 heraus, dass die Abwesenheit von der Arbeit aufgrund von Erkrankungen in den 24 Staaten mit medizinischen Cannabisgesetzen, die analysiert wurden, abgenommen hatte. Die Wirkung war am stärksten bei Vollbeschäftigten und bei Männern in einem mittleren Lebensalter, die Gruppe, die am häufigsten medizinische Cannabis-Karten besitzt. Vollzeitbeschäftigte im Alter zwischen 50 und 59 Jahren gaben 13 % weniger wahrscheinlich Abwesenheiten aufgrund von Erkrankungen nach der Legalisierung von medizinischem Cannabis an. Männer im Alter zwischen 40 und 49 Jahren gaben 11 % weniger wahrscheinlich und Männer im Alter zwischen 30 und 39 Jahren gaben 16 % weniger wahrscheinlich eine krankheitsbedingte Abwesenheit an. 

 

Die medizinische Verwendung von Cannabis könnte den Missbrauch von verschriebenen Opiaten reduzieren

Nach Aussagen von Wissenschaftlern der Universität von Neumexiko legen ihre Forschungsergebnisse nahe, dass Cannabis dabei helfen könnte, Abhängigkeiten zu bekämpfen. Die Professoren Jacob Vigil und Sara Stith stellten zusammen mit dem Schmerzexperten Dr. Anthony Reeve am 3. März 2017 ihre Forschung über die Beeinflussung der Verwendung von verschriebenen Opiaten bei Patienten durch das Programm für medizinisches Cannabis von Neumexiko vor. Die Studie verglich die Verwendung von verschriebenen Opiaten bei den Patienten von Dr. Reeve, die in das medizinische Cannabisprogramm aufgenommen worden waren, und bei seinen Patienten, die nicht in diesem Programm waren, über einen Zeitraum von 18 Monaten so. Ihre Forschung fand eine Reduzierung der Opiatdosis um 31 % innerhalb von 18 Monaten bei den Patienten, die medizinisches Cannabis verwendeten, und eine leichte Zunahme der Opiateinnahme in der Kontrollgruppe.

 

Älteren Patienten mussten weniger Medikamente verschrieben werden, wenn sie Zugang zu Cannabis hatten

Ärzte stellten älteren und behinderten Patienten weniger Rezepte für Schmerzmittel und andere Medikamente aus, wenn diese einen legalen Zugang zu medizinischem Cannabis hatten. Das ist das Ergebnis einer Studie aus dem Jahr 2016. Die Forscher berechneten, dass Medicare im Jahr 2013 im Distrikt von Columbia und 17 Staaten, die die Verwendung von Cannabis als Medizin erlaubten, mehr als 165 Millionen Dollar sparte. Medicare ist ein nationales soziales Versicherungsprogramm der USA. Wenn alle Staaten in den USA medizinisches Cannabis legalisiert hätten, so sagt die Studie voraus, würde das Bundesprogramm jährlich mehr als 468 Millionen Dollar an pharmazeutischen Medikamenten für behinderte Amerikaner und solche im Alter von 65 Jahren oder älter sparen.

 

Rentner ziehen in Staaten um, in denen die medizinische Verwendung von Cannabis legal ist

Wenn der Wohnsitz nach der Berentung gewählt wird, werden verschiedene Faktoren berücksichtigt: das Klima, die Nähe zu den Enkeln, der Zugang zu guter medizinischer Versorgung. Aber viele Rentner in den USA wählen Staaten, in denen sie mit Cannabis behandelt werden können. Es ist schwierig, herauszubekommen, wie viele Menschen in Staaten ziehen, die die medizinische Verwendung von Cannabis erlauben, da Rentner kein Formular ausfüllen müssen, in dem sie erklären, warum sie einen bestimmten Wohnsitz für ihre letzten Jahre wählen. "Es gibt jedoch anekdotische Hinweise, dass Menschen mit gesundheitlichen Problemen, die mit Cannabis behandelt werden können, in Staaten mit legalisiertem Cannabis umziehen", erklärte Michael Stoll, Professor für öffentliche Politik an der Universität von Kalifornien in Los Angeles, der Trends bei der Wanderung von Rentnern untersucht.