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Hanfjournal

Krebsbehandlung: Dürfen Cannabis und Methadon zusammen eingenommen werden?

Authors
Franjo Grotenhermen

THC, CBD und einige andere natürliche Cannabinoide besitzen krebshemmende Eigenschaften. Ihr Wert kann bisher nicht gut abgeschätzt werden, da es zwar viele experimentelle Studien mit Tieren und Zellen gibt, aber kaum Daten beim Menschen. Im Februar 2017 hatte der Hersteller des Cannabissprays Sativex in einer Pressemitteilung berichtet, dass in einer ersten placebokontrollierten kleinen Studie mit 21 Patienten, die an einem Glioblastom litten, einem sehr aggressiven Hirntumor, die zusätzliche Gabe von Cannabis das Überleben der Patientin deutlich verbesserte.

Eine ähnlich limitierte Studiensituation liegt für das Opiat Methadon vor. Methadon ist vor allem als Substitutionsmittel bei Menschen mit Heroinabhängigkeit bekannt. Zufällig hat eine Wissenschaftlerin vom Institut für Rechtsmedizin der Universität Ulm vor einigen Jahren entdeckt, dass Methadon ebenfalls krebshemmende Eigenschaften besitzt. Methadon verstärkt in Experimenten die Wirkungen verschiedener Chemotherapeutika. Bisher gibt es nur eine kleine Studie an der Berliner Charité mit Methadon beim Glioblastom, die allerdings nur die Verträglichkeit von Methadon in der Krebstherapie untersucht hat. Ob Methadon beim Menschen wirksam ist, ist bisher nicht bekannt, da es bisher keine Studien mit Menschen gibt. Aber genauso wie bei Cannabinoiden wollen viele Krebspatienten nicht warten und setzen das Opiat bereits heute bei ihrer Erkrankung ein. Wie bei Cannabis gibt es Fallberichte im Internet über die positive Wirkung von Methadon in der Krebstherapie.

Daher stellen sich viele Patienten die Frage, ob Methadon und Cannabis bzw. THC und CBD als Zusatztherapie in der Krebsbehandlung kombiniert werden können. Im Internet gibt es Stimmen, die die Auffassung vertreten, dass Cannabis und Methadon nicht kombiniert werden sollten. Ich möchte hier kurz darstellen, warum diese Argumente, die für diese Meinung angeführt werden, nicht stichhaltig sind. Die unten zitierten Behauptungen entstammen einer Facebook-Gruppe zu diesem Thema.

Behauptung 1: Eine Chemotherapie erzeugt freie Sauerstoffradikale, die in den Krebszellen Entzündungsprozesse initiieren und schließlich zum programmierten Zelltod (Apoptose) führen. Methadon verstärkt diese Wirkung der Chemotherapeutika. Cannabinoide sind jedoch starke Radikalfänger.

Widerlegung 1: Es ist zwar richtig, dass THC und CBD im Allgemeinen Fänger freier Radikale darstellen. Die Auslösung von Apoptosen durch CBD beruht jedoch zum Teil auf der Produktion freier Sauerstoffradikale in den Krebszellen. Auch THC und CBD sind in der Lage, die Wirkung verschiedener Chemotherapeutika zu verstärken, darunter Temozolomid, Doxorubicin und Melphalan.

Behauptung 2: Methadon übt seine Wirkung durch eine Bindung an mu-Opioidrezeptoren aus. THC und CBD binden ebenfalls an diese Opioidrezeptoren, was dazu führt, dass Methadon nicht mehr so gut an die mu-Opioidrezeptoren binden kann.

Widerlegung 2: THC und CBD binden nicht an die gleiche Stelle des mu-Opioidrezeptors wie Methadon. Methadon ist ein sogenannter orthosterischer Agonist an diesem Rezeptor, eine Substanz, die den mu-Opioidrezeptor an seiner normalen Stelle aktiviert. THC und CBD sind dagegen allosterische Modulatoren am mu-Opioidrezeptor. Sie können in der Tat durch eine Veränderung des Rezeptors die Bindungsfähigkeit von Methadon reduzieren. Allerdings wurde diese Veränderung bisher nur in Experimenten mit Zellmembranen festgestellt. Dabei wurden Cannabinoidkonzentrationen verwendet, die mehr als 100 mal größer sind, als bei Tier und Mensch im Blut üblicherweise erzielt werden. Eine häufig zitierte Studie ist die von der Arbeitsgruppe von Professor Eberhard Schlicker vom Institut für Pharmakologie und Toxikologie der Universität Bonn (Kathmann et al 2006). Der letzte Satz ihres Artikels lautet: „Alle Wirkungen treten bei sehr hohen Konzentrationen auf und es kann nicht erwartet werden, dass sie zu den in vivo-Wirkungen der 3 Substanzen beitragen.“ Bei den 3 Substanzen sind THC, CBD und Rimonabant, ein Blocker am Cannabinoid-1-Rezeptor, gemeint. „In vivo“ bedeutet „im lebenden Organismus“, also bei Tier oder Mensch.

Behauptung 3: THC reduziert die Zahl der mu-Opioidrezeptoren, sodass Methadon weniger Angriffspunkte für seine Wirkung hat.

Widerlegung 3: In der Tat gibt es eine Untersuchung von Wissenschaftlern des Albert-Einstein-Kollegs für Medizin im Staat New York (Vaysse et al. 1987) mit Zellmembranen von Nervenzellen, nach der extrem hohe THC-Konzentrationen die Zahl der mu-Opiatrezeptoren reduzieren können. Diese Wirkung war dosisabhängig. Bei sehr hohen Konzentrationen fand sich ein entsprechender Effekt, bei niedrigeren dagegen nicht. Erneut ist diese Beobachtung für die Situation im lebenden Organismus nicht relevant.

Fazit: Es ist wichtig, bei Studien aus der Grundlagenforschung die jeweils verwendeten Konzentrationen zu berücksichtigen, um unzulässige Schlussfolgerungen zu vermeiden. Natürliche und synthetische Substanzen verhalten sich in extrem hohen Konzentrationen häufig völlig anders als in physiologischen Konzentrationen, wie sie in Tieren und Menschen auftreten. Das gilt auch für Cannabinoide. Es gibt keine wissenschaftlichen Anhaltspunkte dafür, dass Cannabinoide und Methadon nicht zusammen in der Krebstherapie eingesetzt werden könnten. Im Gegenteil: Die bisher durchgeführten Studien belegen, dass sich Cannabinoide und Methadon in Konzentrationen, wie sie in Mensch und Tier erreicht werden können, am mu-Opioidrezeptor nicht negativ beeinflussen.