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Fehldiagnose Schizophrenie bei ADHS und Cannabiskonsum
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Es ist in der Wissenschaft weitgehend unbestritten, dass Cannabiskonsum den Ausbruch einer schizophrenen Psychose beschleunigen kann. Wahrscheinlich kann Cannabis das Risiko für den Ausbruch von Psychosen erhöhen. Abschließende Sicherheit ist hier schwer zu gewinnen. Aber Vorsicht ist angezeigt, sodass diese Möglichkeit insbesondere im Zusammenhang mit jugendlichem Cannabiskonsum ernst genommen werden muss. Das ist die eine Seite.
Hier die andere Seite aus meiner ärztlichen Praxis. Ich habe bereits mehrfach Patienten behandelt, denen im Zusammenhang mit einem Cannabiskonsum fälschlicherweise das Vorliegen einer Schizophrenie zugeschrieben wurde. Solche Fehldiagnosen können für die Betroffenen verheerend sein. Dabei hätten die Fälle, die ich in meiner Praxis gesehen habe, durch ein vorurteilsfreies Herangehen und eine sorgfältige Anamnese vermieden werden können. Es wäre dazu notwendig gewesen zu akzeptieren, dass Cannabis bei einigen psychiatrischen Erkrankungen, die mit impulsiven Ausbrüchen einhergehen, auch hilfreich sein kann. Nicht muss, aber kann.
In einem Artikel in der Süddeutschen Zeitung vom 19. Mai 2010 mit dem Titel „Der verirrte Blick in die Seele“ heißt es: „Kaum ein Fach ist so anfällig für Fehldiagnosen wie die Psychiatrie - Ärzte und Psychologen brauchen eine kritischere Selbstkontrolle. Margret O. wusste, dass sie psychisch krank war. Schließlich ist sie selbst Psychiaterin. Dutzende manische Patienten hatte die Ärztin schon behandelt. Doch als sie selbst während einer manischen Episode in eine Klinik ging, änderte sich ihr Blick auf den eigenen Beruf drastisch. "Es war ein Schlüsselerlebnis, wie die Ärzte reagierten, als ich mich weigerte, ein Medikament einzunehmen", erinnert sie sich. Wenn sie das Mittel nicht freiwillig nehmen würde, würden Pfleger sie auf ein Bett schnallen und ihr die Tabletten herunterzwingen. "Bis zu dieser Drohung hatte ich mich einigermaßen im Griff, aber da bin ich in Wut geraten", erinnert sich Margret O. Gewalt gehört auch heute noch zu den Druckmitteln der Psychiatrie. Patienten mit Depressionen, Panikattacken oder Schizophrenie kommen nicht immer freiwillig in eine Klinik, viele werden auf Druck der Familie oder von der Polizei eingeliefert.“
Kürzlich stellte sich ein Patient bei mir vor, der im Krankenhaus die Diagnose „paranoide Schizophrenie“ erhalten hatte. Er berichtete mir, dass bereits in der Kindheit eine ADHS, also eine Störung von Konzentration, Aktivität und Impulsivität diagnostiziert worden sei. Diese Diagnose sei im Erwachsenenalter bestätigt worden. Er war im Frühjahr erneut für einige Wochen in stationärer Behandlung gewesen. Im Arztbericht sind typische Symptome einer ADHS beschrieben, darunter wiederholte Gewaltsausbrüche aufgrund einer Impulskontrollstörung, die zu Beschwerden durch Nachbarn mit anschließendem Polizeieinsätzen führten. Die Folge waren wiederholte Zwangseinweisungen in der Psychiatrie, in der jeweils eine „bekannte paranoide Schizophrenie“ bestätigt wurde. Gegen seinen Widerstand wurde er dann mit Neuroleptika behandelt.
In dem Artikel aus der Süddeutschen Zeitung heißt es dazu: „Die meisten Patienten fügen sich den Ratschlägen der Ärzte und werden nach Tagen oder Wochen stabil entlassen. Wer sich nicht fügt, gerät leicht in einen Teufelskreis: Nervenärzte sind oft dermaßen von der Richtigkeit ihrer Diagnose überzeugt, dass sie in der Gegenwehr eines Patienten einen Beweis für dessen Geisteskrankheit sehen.“
Alles, was im ärztlichen Entlassungsbericht aus der Klinik als Anzeichen für eine Paranoia bzw.paranoide Schizophrenie geschrieben stand, war durchaus nachvollziehbar. Der Arztbericht aus der Klinik liefert mehr Informationen über die Vorurteile der dort tätigen Psychiater als über den Patienten. Dieser war freundlich zugewandt. Seine Gedankengänge waren geordnet und strukturiert. Er gab freimütig Auskunft und alles, was er berichtete, war nachvollziehbar, inklusive der Bedrohungen, die als paranoid eingestuft worden waren. Er berichtete, dass er immer, wenn er genug Cannabis hat, keine impulsiven Ausbrüche habe. Diese habe er nur, wenn er nicht ausreichend mit Cannabis versorgt sei. Das habe ich in den vergangenen Jahren von ADHS-Patienten mehr als 200 mal gehört., Er gab weiter an, von Neuroleptika nicht zu profitieren, sodass er diese immer gleich nach dem Krankenhausaufenthalt absetze.
Jetzt beginnt das, was ich nicht das erste Mal gemacht habe. Der Betroffene wird sich bei einem Psychiater vorstellen, der weiß, dass Cannabis bei ADHS gute Dienste leisten kann, denn natürlich kann ich selbst keine psychiatrischen Diagnose stellen. Das muss ein Psychiater machen. Dann wird voraussichtlich eine normale ADHS-Therapie mit Cannabis beginnen, da er Methylphenidat nicht gut verträgt.
Im Artikel der Süddeutschen Zeitung heißt es weiter zu Fehldiagnosen in der Psychiatrie: „Das Problem: Meist haben die Ärzte Recht. Aber eben nicht immer. Manchmal hat ein Patient allen Grund, sich zu wehren, weil die Diagnose falsch ist. "Fehldiagnosen sind in der Psychiatrie ein häufiges Phänomen", sagt der Psychologe Hans-Ulrich Wittchen von der TU Dresden. "Sie dürften deutlich häufiger sein als in anderen Fächern." Während Chirurgen, Internisten und Hausärzte aber neuerdings Fehlermeldesysteme etablieren, fehlen solche Initiativen in der Psychiatrie. (…) Vorsichtige Seelenärzte stellen ihre erste Diagnose deshalb nur vorläufig. Erst die intensive Betreuung des Patienten schafft die Basis, um den ersten Verdacht zu bestätigen, abzuwandeln - oder fallen zu lassen.“
Ich kenne viele gute und engagierte Psychiater. Cannabis triggert jedoch offenbar bei vielen Psychiaterin psychologische Stressreaktionen, mit denen sie bisher nicht adäquat umgehen können. Das fällt auf die Psychiatrie zurück.