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Hanfjournal

Antrag an die Bundesopiumstelle für Cannabisblüten: Was bedeutet eigentlich "austherapiert"?

Authors
Franjo Grotenhermen

Der wichtigste Bestandteil des Antrags auf eine Ausnahmeerlaubnis nach Paragraph 3 Absatz 2 Betäubungsmittelgesetz durch die Bundesopiumstelle zur Verwendung von Cannabisblüten aus der Apotheke ist ein Arztbericht. Der behandelnde Arzt bzw. die behandelnde Ärztin müssen darin begründen, warum eine Therapie mit Cannabis bei dem Antragsteller bzw. der Antragstellerin erforderlich ist. Dazu legt er/sie dar, warum andere Therapien bisher unwirksam waren oder starke Nebenwirkungen verursacht haben. Er stellt die Krankengeschichte, inklusive der bisherigen Therapieversuche vor. Im Arztbericht verweist er möglicherweise auf Krankenunterlagen der bisher behandelnden Ärzte bzw. Krankenhäuser. Er bzw. sie legt auch dar, dass ein möglicher Nutzen der Cannabistherapie die möglichen Risiken überwiegt, und dass der Patient bzw. die Patientin vermutlich verantwortungsvoll mit der Therapie umgehen wird.

Die größte Unsicherheit bei vielen Ärzten und Patienten besteht bei der Frage, wann ein Patient mit den üblichen Therapieverfahren als "austherapiert" betrachtet werden kann, so dass ein Antrag auf eine Ausnahmeerlaubnis erfolgversprechend ist. Auch die von der Bundesregierung geplante Gesetzesänderung sieht vor, dass Medikamente auf Cannabisbasis von den Krankenkassen nur erstattet werden sollen, wenn andere Therapieverfahren nicht ausreichend wirksam sind. Auch hier müsste dann gegenüber der Krankenkasse dargelegt werden, warum die betreffende Erkrankung nicht mit den üblichen, zugelassenen Therapieverfahren behandelt werden kann. Hier einige Beispiele von Patienten, die eine Ausnahmeerlaubnis erhalten haben.

Chronische Schmerzen

Es handelt sich um einen 50-jährigen Mann, der nach einem Motorradunfall vor etwa 30 Jahren einen Bruch des 12. Brustwirbels mit einer kompletten Querschnittslähmung erlitt, die unter anderem mit starken chronischen Schmerzen in den Beinen einhergeht. In den vergangenen Jahren ist eine Vielzahl von Schmerzmitteln zum Einsatz gekommen, darunter Novaminsulfon, Pregabalin, Duloxetin, Morphium und zuletzt L-Polamidon. Novaminsulfon und Pregabalin waren unwirksam. Morphium und Polamidon wurden nicht vertragen. Zudem führten auch diese Medikamente nicht zu einer befriedigenden Schmerzlinderung.

Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS)

Bei dem 40-jährigen Mann wurde im vergangenen Jahr eine ADHS des Erwachsenenalters festgestellt. Im Vordergrund stehen eine Hyperaktivität mit Schlafstörungen, Unruhe und Nervosität, darüberhinaus jedoch auch Störungen der Aufmerksamkeit. Neben Psychotherapie erhielt er Methylphenidat. Diese Medikation führte zu ausgeprägten Nebenwirkungen, darunter vor allem Schlaflosigkeit mit Wachphasen von bis zu 36 h, verstärkte Nervosität, Hyperaktivität, verstärkte Aggressivität und Appetitlosigkeit. Auch eine Medikation mit Atomoxetin (Strattera) und Dexamphetamin (Attentin) verursachte ausgeprägte Nebenwirkungen. Er hat im Selbstversuch festgestellt, dass Cannabisprodukte eine gute Linderung der ADHS-Symptomatik bewirken.

HIV-Infektion mit Gelenkschmerzen und Gewichtsabnahme

Der Betroffene ist 50 Jahre alt und leidet an Gewichtsabnahme und Gelenkschmerzen im Rahmen einer HIV-Infektion. Er hat seit 1999 eine Anzahl von Medikamenten vor allem gegen die Schmerzen (Novaminsufon, Ibuprofen, et cetera) erhalten, die er jedoch aufgrund von Nebenwirkungen, wie Schwindelanfällen, Kopfschmerzen, Schlafstörungen und Durchfall absetzen musste. Zudem hat er schwach wirksame Opiate (Tilidin, Tramadol) versucht. Auch diese waren mit Nebenwirkungen wie vor allem Übelkeit und Juckreiz assoziiert. Er hat dann festgestellt, dass Cannabisprodukte seine Symptomatik ohne relevante Nebenwirkungen lindern, und er wieder ohne Schmerzen und Depressionen leben kann. Appetitsteigernde Medikamente habe sein Arzt ihm nicht anbieten können. Der Patient kann trotz der symptomatischen HIV-Infektion bei regelmäßiger Verwendung von Cannabisprodukten einem Minijob nachgehen.

Posttraumatische Belastungsstörung

Der heute 31 Jahre alte Patient ging im Alter von 17 Jahren zur US-amerikanischen Armee. Seine gesundheitlichen Probleme, die durch Depressionen, Angst, dass etwas Schlimmes passieren könnte, Stimmen im Kopf, nach denen er es nicht schaffen wird, Schlafstörungen und Albträume charakterisiert sind, basieren auf Erlebnissen im Irak-Krieg. Er ist amerikanischer Staatsbürger und lebt seit einem Jahr in Deutschland. Er wurde im Jahr 2004 alkoholabhängig. Zwischen 2009 und 2012 hat er eine Anzahl von Antidepressiva und Benzodiazepinen, darunter Citalopram, Trazodon, Diazepam, Fluoxetin, Bupropion, Sertalin, et cetera. eingenommen. Darüber hinaus habe er an Gruppentherapien für Alkoholiker und depressive Patienten sowie an psychotherapeutischen Einzelsitzungen teilgenommen. Nach 3 Jahren habe er erkennen müssen, dass keine der therapeutischen Maßnahmen eine relevante Wirkung hat. Wenn er Cannabis nimmt, geht es ihm deutlich besser. Er kann tagsüber arbeiten und sich abends auf sein Studium konzentrieren.